Der Brief: Er ist ja längst nicht mehr blau, er heißt nur noch so, und jeder, der mal eine Schulbank gedrückt hat, weiß, was gemeint ist: Eine Mitteilung der Schule an die Eltern, wenn die Leistungen für eine Versetzung nicht ausreichen. Mögliche Erklärung für den Namen sind wohl offizielle preußische Postsendungen, deren Papier aus blauen Uniformlumpen hergestellt wurde. Sei’s drum, in diesen Tagen werden wieder „Blaue Briefe“ in einigen Briefkästen aufschlagen und möglicherweise den Haussegen schief hängen. Aber genau das soll die Mitteilung eben nicht bewirken. Sie will eher Hinweis für Chancen und Ansporn sein.

Schulleiterin Dr. Kerstin Sperling-Ischinsky hält ein Exemplar in der Hand: So sieht der „Blaue Brief“ aus, der demnächst in einigen Familien für Diskussionen sorgen könnte. Er ist längst nicht mehr blau und er soll keine Panik verbreiten, sondern einen Hinweis auf Handlungsbedarf geben.

Die Schulleiterin: Was empfiehlt Schulleiterin Dr. Kerstin Sperling-Ischinsky im konkreten Fall? „Mit den Kindern gemeinsam überlegen, was getan werden kann. Kann man zum Beispiel die Arbeitsbedingungen noch verbessern?“ Der Brief soll schließlich keine mittlere Katastrophe auslösen, im Gegenteil: „Er soll wachrütteln und dazu anregen, mit Ausdauer seine Kenntnisse noch einmal zu vertiefen und sich zu fragen: Ist mein Arbeitsverhalten so, wie es erforderlich wäre? Auch empfehle ich, am nächsten Elternsprechtag die Lehrer zu kontaktieren und das Weitere zu besprechen.“ Wichtiger Hinweis: Wer bereits auf dem Halbjahreszeugnis in einem Fach eine Fünf hatte, gilt als vorgewarnt und erhält keinen Blauen Brief.

Das Kollegium: Die Lehrkräfte sehen derzeit die Anzahl der Benachrichtigungen im üblichen Rahmen. Sie tragen ihre „Fälle“ in eine Liste ein, die bei der Schulleitung landet. Bringt der Blaue Brief denn das gewünschte Ergebnis? Dominik Adlers, zuständig für Deutsch, Geschichte und Politik kennt „in Einzelfällen“ durchaus den Erfolg „einer Leistungsverbesserung“, aber auch das „Strohfeuer für eine entsprechend kurze Zeit“. Er weiß sich aber mit seinen Kollegen einig, dass niemand überrascht wird. In den meisten Fällen ist schon „nach schwachen Arbeiten oder in Phasen von nichtexistenter Beteiligung“ darauf hingewiesen worden, „dass das anstehen könnte“. In einigen Fällen wurde auch ganz aktuell „mit den Kindern gesprochen und auf die Notwendigkeit einer Leistungsverbesserung hingewiesen.“ Aber wie gesagt: Kein Grund zur Panik. Ein Endspurt wäre jetzt passender.

MR