Kinder und Bildschirme, eine unzertrennliche Einheit? Nicht an diesem Morgen. Heute ist alles „in echt“ auf der AES-Bühne. Das einzig Technische dürfte das Mikrofon sein, das die Stimmen der jungen Vorleser und Vorleserinnen glasklar in die Aula überträgt.
Augen und Ohren der Kinder sind auf Empfang, als Deutschlehrerin Kerstin Walther den Vorlesewettbewerb der sechsten Klassen eröffnet. Jeweils ein Junge und ein Mädchen pro Klasse treten an, um den Wanderpokal für sich zu gewinnen. Sie sind gut vorbereitet. Ein bekannter und ein unbekannter Text von je drei Minuten sind vorzutragen. Nervös? Nicht erkennbar.
Los geht’s. Im warmen Licht von Leselampe und Adventkranz startet Vincent aus der 6a. seine Geschichte dreht sich um Jack, den Monsterschreck. Er beginnt furios, die Zuhörer im Parkett sind sofort mittendrin, als Vincent sogar fließend Monsterisch spricht. Seine Klassenkameradin Pia liest aus der Schmahama-Verschwörung. Ihr Vortrag ist flüssig aber gleichförmig.
Auch Sophia, 6b, hat es mit Monstern, die ein Junge im Camp zu besiegen hat. Sie liest mit leichtem Stocken. Ihr letzter Satz: „Mein Knie war wie aus Pudding.“ Das kann Fynn nicht behaupten. Er liest vom Bundesliga Alarm aus den drei Fragezeichen und erntet Vorschuss-Applaus, als er sich als Bayernfan outet.
Mika aus der 6c liest von dem Tag, als Oma das Internet kaputte gemacht hatte. Eine mittlere Katastrophe! Er erzählt den Text, es macht Spaß, ihm zuzuhören. Die letzte Vorleserin der reihe, Paulina liest aus dem kleinen bösen Buch. Das Buch spricht zu den Lesern, es sucht Komplizen. Paulina macht ihre Sache gut und ziemlich flüssig.
Es folgt der Vortrag des Fremdtextes, ein Ausschnitt aus einer Sams-Geschichte. Vincent versucht, zu erzählen, hebt und senkt die Stimme. Sein Vortrag ist spannend, aber nicht frei von Stocken. Pia überrascht mit einem Supervortrag. Es läuft wie am Schnürchen, eine Passage singt sie sogar.
Sophia liest flüssig mit guter Betonung, stockt aber häufig, man kann die Mühe mit dem unbekannten Text hören. Fynn macht die reimenden Samse hörbar, große Klasse. Aber gegen Ende kämpft er gegen den Text. Es wird für die Jury wohl eine schwierige Entscheidung werden.
Mika und Paulina haben Mühe mit einzelnen Wörtern, der Vortrag wechselt zwischen guter Gestaltung und angestrengtem Lesen. Dann ist es geschafft, die Jury beratschlagt.
Tatsächlich war die Entscheidung schwierig und wohl auch knapp: Siegerin ist Pia, die durchweg überzeugte und nun den Pokal mit nach Hause nehmen darf. Ihre Klasse ist begeistert und lässt sie hochleben.
Michael Rausch