Schule trifft auf Arbeitswelt
„Und, weißt Du schon was Du später machen willst?“ Gute Frage. Das Arbeitsleben rückt näher, das Ende der Schulzeit ist für die Schüler des 9er Jahrgangs bereits in Sichtweite gerückt. Da ist die Frage berechtigt. Beim dreiwöchigen Praktikum zur Berufsorientierung geht es für die Jugendlichen nicht in erster Linie darum, den Traumberuf zu entdecken. Vielmehr gilt es, ganz allgemein den Arbeitsalltag kennenzulernen, der ja deutlich anders ist als der schulische. Gleichzeitig kann man natürlich seine Neigungen testen, Einblicke in verschiedene Unternehmen und Berufe gewinnen sowie Erfahrungen im Umgang mit Menschen sammeln.
Allerdings ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt gerade nicht eben einfach zu überblicken. Während die OECD beklagt, die Teenager orientierten sich noch zu wenig am 21. Jahrhundert – Mädchen wollen immer noch in erster Linie Lehrerin werden, Jungs Informatiker- , suchen Handwerk, Handel und Pflege händeringend Nachwuchs. Und weit über die Hälfte der AES-Schüler geht nach der 10. Klasse weiter zur Schule, um eine gymnasiale Oberstufe zu besuchen.
Das möchte auch Ewelina, die ihre Branche schon gefunden hat, wie sie sagt. Sie arbeitet gerade beim Zahnarzt und lernt alle Vorgänge in der Praxis kennen. Ob sie nach dem angestrebten Abi tatsächlich in der Zahnmedizin landen wird, weiß sie zwar noch nicht genau, aber „die Richtung“ stimmt. Sie schätzt an der Arbeit „das Feine, das Filigrane“, so wie ihr Chef, Zahnarzt Björn Hagen seine Praktikantin schätzt. Er lässt sie bereits am Behandlungsstuhl assistieren und absaugen und ist sehr zufrieden mit Ewelina. Die wiederum ist zufrieden mit ihrem Praktikum: „Es ist zwar anstrengender als Schule, aber sehr abwechslungsreich und spannend.“
Auch Hannah fühlt sich bestens aufgehoben. Ihre Werkzeuge sind Säge, Hobel, Stecheisen und Hammer, ihr Material ist Holz, das Berufsfeld Tischlerei. Es gefällt ihr, „zu sehen, wenn etwas entsteht“. Geprägt ist sie wohl vom Vater, der „auch sehr viel mit Holz“ arbeitet. Sie arbeitet an Ort und Stelle in Werkstatt und Lackraum, fährt aber auch mit zu Kunden, um dort maßgeschneiderte Möbel aufzubauen. Und auch wenn in der Werkstatt Maschinen von beeindruckender Größe stehen, geht es doch bei der Arbeit um Millimeter. Hannah mag die „Genauigkeit beim Messen und Umsetzen“.
Gerade arbeitet sie an einer Tierfigur mit Behausung, die sie im Schichtverfahren aufgebaut hat. Firmenchef Günter Hermanowski weiß weibliche Mitarbeiter in der überwiegend männlichen Branche sehr zu schätzen: „Sie sind strukturierter als die Jungs.“ Er deutet auf Hannahs kleines Werkstück: „Diese Hartnäckigkeit. Ich weiß nicht, ob ich die aufbrächte.“
Schubladendenken ist nicht Shaymas Sache, und doch hat sie damit jetzt täglich zu tun. Die pharmazeutischen Produkte der Aller Apotheke sind alphabetisch sortiert und lagern in einer imposanten Schrankwand. Shayma findet sie alle. „Es werden aber auch noch Produkte selbst hergestellt, zum Beispiel Salben“, weiß die Praktikantin. Hier darf sie allerdings nicht mitarbeiten. Kapseln, Salben, Cremes und Lösungen bleiben den Profis vorbehalten. Dafür lernt Shayma einiges über die Logistik. Täglich werden Bestellungen angenommen und rausgeschickt, eine Apotheke hat einen enormen Durchlauf. Da braucht man eine gut funktionierende Software. Shayma kennt sich aus und schaut „am Computer, wie der Bestand ist“. Sie stellt sicher, dass zwei Seniorenheime zuverlässig mit Arznei versorgt werden.
Seniorchefin Alexandra Stawowy ist sehr zufrieden mit ihrer Praktikantin, die sich nahtlos in den laufenden Betrieb eingefügt hat: „Sie zeigt sehr viel Interesse.“
Man wähnt sich hinter den Bergen bei den sieben Zwergen: Am Ende der Straße, umgeben von Wald putzige Knusperhäuschen mit Schnitzereien –pure Idylle bei Grün & Gruga. Biegt man um die Hausecke zeigt sich ein völlig anderes Bild: PS-starke Radlader, große Maschinen, ein 13t-Hubsteiger bis 35 Meter Höhe, Motorsägen. Das ist die Welt, die sich Ben für sein Praktikum ausgesucht hat.
Sein familiäres Umfeld ist landwirtschaftlich geprägt, von daher ist die Forstwirtschaft naheliegend. Er ist mit seinem Team nun zuständig fürs Laubpusten, die Waldrandgestaltung, Totholzbeseitigung, Wegebau, Lichtraumprofil (Durchfahrthöhen) herstellen, Gefahrenbäume kontrollieren, Treibholz nach dem Hochwasser abräumen und vieles mehr.
Klingt nach schwerer Arbeit. Ist es auch, und zwar bei Wind und Wetter. Für Ben kein Problem. Tages- und Wochenberichte zu schreiben muss sein, aber „es macht unglaublichen Spaß, bei jedem Wetter draußen zu sein. Das härtet ab.“ So sieht es auch das fünfköpfige Team mit Vorarbeiter Ingo Munzel.
Der Umgangston ist klar und geradlinig, aber immer humorvoll. Für Ben eine gute Gemeinschaft.
Er sieht respektabel aus in seinem weißen Laborantenkittel und der Schutzbrille. John Lemke leistet sein Praktikum beim Essener Spezialchemie-Unternehmen EVONIK. Dort erlebt er eine Überraschung, denn er trifft auf Josie, eine ehemalige AES-Schülerin, die ihn sofort unter ihre Fittiche nimmt. Es geht im Labor hauptsächlich um die Herstellung von Biotensiden. Johns „Kollegin“ ist in jeder Hinsicht im Thema und leitet ihn an beim Umgang mit den Verfahren zur Herstellung dieser Substanzen für die ganz Großen im Kosmetikgeschäft. John weiß nun: „Tenside sind waschaktive Substanzen, Biotenside werden in der Natur von Hefen produziert.“ Sie kommen in Shampoos, Duschgels und Reinigungsmitteln zum Einsatz. Ihr großer Vorteil: „Sie können rückstandsfrei abgebaut werden.“ Johns Interesse und sein Einsatz wurden ausgesprochen positiv wahrgenommen, die Rückmeldung war daher sehr gut.
Michael Rausch