„Ich will das Funkeln in den Augen sehen“

Die nächste Gelegenheit zur Anwendung wird die Bewerbung für ein Praktikum sein. Aber auch später kann das heutige Training für die 9a in Sachen Einstellungsverfahren nützlich sein. Die Frage ist nämlich: Wie präsentiere ich mich am besten, um in der Auswahl vorne zu liegen. Denn mein Gegenüber ist ein erfahrener Menschenkenner, dem ich nichts vormachen kann, weiß der Banker und Berufspädagoge Michael Piegsa. Er bereitet die Klasse heute auf die Situation in Bewerbungsgesprächen vor.

Sina leitet die Diskussion des Assessment-Centers.

Er stellt ein „Assessment-Center“ zusammen, eine Schülergruppe, die unter Beobachtung eine Aufgabe zu lösen hat. Hierbei soll die Klasse für die Teilnehmer ein Profil erstellen, das ihre Eignung widergibt. Eigeninitiative, Teamfähigkeit und sprachliches Vermögen sind die Merkmale, die die Beobachter bewerten. Die Aufgabe: Aufstellen eines 7-Punkte-Plans zur These „Die AES macht fit fürs Berufsleben“. Die Gruppe arbeitet, entwickelt, verwirft und diskutiert. Alle anderen verteilen Punkte.

Wie zu erwarten, fallen die Profile sehr unterschiedlich aus. Manche haben sich sehr aktiv beteiligt, sogar zeitweilig die Führung übernommen, andere weniger. Was überrascht, sind  die Bewertungsunterschiede bei einer einzigen Person. Für den Profi Michael Piegsa gehören sie allerdings in die Rubrik normal und würden anschließend im Beurteilungsteam diskutiert. Er zieht das Fazit: „Ihr habt eine engagierte, fundierte Diskussion geführt. Aber nach 5 Minuten wart ihr gefühlt durch, seid dann wohl noch mal in Gang gekommen. Nutzt die Zeit, die ihr habt.“ Leerlauf wirkt auf die Beobachter tödlich. Er empfiehlt, auf den eigenen Redeanteil zu achten.

Schwierige Situation im Vorstellungsgespräch. Immerhin lässt die Maske die Augen frei, so dass das Funkeln sichtbar wird.

Es folgt das Einzelgespräch, der Alptraum der Kandidaten. Sina hat sich zur Verfügung gestellt. Ihre Körpersprache deutet auf große Anspannung und volle Konzentration. „Erzählen Sie mir von sich“, fordert der Interviewer sie auf. Sina beschreibt ihre Beweggründe für die Bewerbung, Piegsa hakt nach. Seine Fragen beginnen mit „warum“, Sina liefert Begründungen.

„Was müsste denn in der Praxis stattfinden, damit Sie (Im fingierten Gespräch wird gesiezt.) sich wohlfühlen?“ Man kann eine solche Frage als Angebot verstehen, zu erzählen, wie man sich die (Arbeits-)Welt vorstellt. Sina denkt angestrengt nach und bringt ein paar Stichpunkte. Die folgende Frage könnte manche Stirn feucht werden lassen. „Und wenn ich nun ein Familienmitglied zu Ihrer Person frage?“ Sina überlegt kurz und entscheidet sich für die Wahrheit. Freimütig gibt sie die Sicht von Mutter und Bruder preis, ein sympathischer Zug.

Wie geht’s ihr nach dem Gespräch? „Ich bin nervös und angespannt“, bekennt sie freimütig. „Ich werde mich zukünftig besser vorbereiten. Die Beurteilung ihrer Präsentation: Zu knappe Antworten. „Ihr dürft ruhig Geschichten erzählen“, rät Piegsa, „da fehlen mir die Emotionen. Werdet konkret, macht die Aussagen griffig. Ich will als Personaler das Funkeln in den Augen sehen.“

Michael Rausch